Die Herstellung von Essig
Grundsätzlich unterscheidet man chemisch produzierte Essigsäure von biologisch hergestelltem Essig.
- Biologisch gewonnener Essig entsteht durch Fermentation (lat. fermentum = Gärung). Darunter wird in der Biotechnologie die Umsetzung von biologischen Materialien mit Hilfe von Bakterien, Pilz- oder Zellkulturen verstanden. Sogenannter "Gäressig" wird als Speise- und Tafelessig verwendet. (Produktionskapazitäten weltweit: ca. 190 000 Tonnen pro Jahr).
- Die industriell erzeugte konzentrierte Essigessenz (sog. "Eisessig") ist ein Produkt der chemischen Industrie (Produktionskapazitäten weltweit: ca. 7 Mio. Tonnen pro Jahr). Sie ist Rohstoff für viele chemische Produkte: Vinylacetat als Bindemittel für Dispersionsfarben und Kleber, Celluloseacetat als Rohstoff für Kunstfasern…
Die biologische Essigherstellung bedarf der "zweifachen Fermentation":
- Zunächst wird der in Früchten oder Getreiden enthaltene Zucker zu Alkohol vergoren.
- In einem zweiten Schritt wandeln sog. "Essigbakterien" (Acetobacter- und Gluconobacter-Stämme) den Alkohol aus Wein, Schnaps oder Bier in Essigsäure um.
Für die Herstellung unserer Essige beziehen wir Weine, Branntweine und Agraralkohole von Winzern und Brennereien aus der mainfränkischen Region.
Grundsätzlich kann jede Art von Alkohol (chem. Begriff: Ethanol) zu Essig umgewandelt werden. Weil Sauerstoff unabdingbar für die biologische Essigsäuregärung ist, spricht man hier von "oxidativer Gärung" oder auch von "Veratmung".
Seit je her hat sich unsere Manufaktur der biologischen Vergärung von Essig verschrieben. Unsere Firmengeschichte spiegelt dabei den technischen Fortschritt der gängigen Produktionsverfahren von der Firmengründung im Jahre 1723 bis heute wider.
Am Anfang ward Wein zu Essig…
Bereits seit Tausenden von Jahren wird Essig produziert... oder besser gesagt "willentlich" hergestellt. Denn die ersten Essige sind wohl von allein entstanden. Essigbakterien umgeben uns überall und so kann der offen stehende Wein kippen und "versauern". So erging es vielen Völkern, ob in China, in Ägypten oder im alten Rom... Bereits die alten Babylonier kannten vor 6.000 Jahren die Geheimnisse der Essigherstellung. Aus den süßen Datteln gewannen sie nicht nur berauschenden Wein, sondern auch Essig. Die Ägypter stellten Essig aus Bier her... In beinah allen Kulturen kultivierte man die Herstellung der sauren Essenzen. Denn sie eignen sich nicht nur als Würze sondern auch zum Konservieren, zum Desinfizieren oder zur Herstellung von "Erfrischungsgetränken". Die Römer füllten neben Wasser auch Essig in Ihre Feldflaschen. Dieses "Posca" genannte Getränk, machte das nach langen Märschen durch die sengende Sonne keimhaltig gewordene Wasser, überhaupt trinkbar. Die Heilwirkung des Essigs erkannte schon Hippokrates. Er setzte den scharfen Saft bei Atemwegserkranungen, Verdauungsbeschwerden und Hauterkrankungen ein...
Die von außen nicht nachvollziehbare Wandlung von Wein in Essig, seine heilende Wirkung... beides trug dazu bei, dass die "Essigkundigen" häufig als Zeitgenossen galten, denen man mystische Begabungen zumutete und die ihre Geheimnisse Jahrhunderte lang vor der Öffentlichkeit bewahrten.
Fränkischer Essig hergestellt im "französischen Verfahren"
Ende des 14.Jahrhunderts entwickelte sich in der Gegend von Orléans in Frankreich die industrielle Herstellung von Essig („Orléans-Verfahren“): Weinfässer wurden in warmen Räumen gelagert, so dass sich auf der Flüssigkeitsoberfläche eine Bakterienhaut bildete, die den Alkohol in Essig umwandelte. Nach einigen Wochen konnte der Essig vorsichtig unterhalb der Bakterienhaut abgelassen werden.
Zur Gründung unserer Essigmanufaktur im Jahre 1723 (bis ca. 1890) stellten unsere Vorfahren die Essig-Erzeugnisse nach diesem "französischen Verfahren" her.
Gebhardt´s Essig aus dem Großraumbildner
Im 19. Jahrhundert erbrachte Louis Pasteur in seiner Schrift „Etudes sur le vinaigre“ den Beleg dafür, dass die Essigsäuregärung ein, von Bakterien bestimmter, biologischer Prozess ist. Damit wurde wissenschaftlich nachvollziehbar, warum sich Wein, der mit der Luft in Berührung kommt, in Essig verwandelt. Der Grundstein für eine kontrollierte Essigherstellung war gelegt. Kurze Zeit später entwickelte sich aus diesen Erkenntnissen im Zuge der Industrialisierung das sog. "Schnellessigverfahren": Der Alkohol wurde dabei in sog. "Großraumbildnern" über Buchenholzspäne gepumpt, auf deren vergrößerter Oberfläche leistungsfähige Essigbakterien angesiedelt waren. Ein Gebläse sorgte für die Sauerstoffzufuhr. Innerhalb von nur sechs Tagen war die Essiggärung abgeschlossen…
Nach diesem Verfahren produzierten wir vom Ende des vorletzten Jahrhunderts ca. 60 Jahre lang bis ins Jahr 1954.
Die biologische Herstellung im Essigbildner (sog. Acetator)
Die heute gängigste Technik der natürlichen Essigvergärung ist das Submersverfahren: Die Bakterienstämme wirken direkt in der flüssigen Suspension, jegliches Trägermaterial (Späne u.ä.) entfällt. Die Bakterien sind in der "Maische", d.h. im Essigsäureausgangsprodukt abgetaucht ("Submers"). Mittels einer Turbine werden eingesprühte Luftbläschen in der Flüssigkeit fein verwirbelt und durchspülen kontinuierlich den gesamten Inhalt des Essgibildners. Die Bakterien finden so an jeder Stelle im Gärtank die optimale Sauerstoffkonzentration zur Gärung vor. Der Gärungsprozess vollzieht sich bei Temperaturen zwischen 28° und 32° C. Wenn die Vergärung mit einem Säureanteil von ca. 13 % nach nur 24 Stunden abgeschlossen ist, werden dem ca. 8.000 Liter Flüssigkeit fassenden Essigbildner ca. 3.200 Liter entnommen. Dieser "Ausstoß-Essig" wird durch einen Membranfilter geleitet, der Schwebstoffe und schließlich die Essigbakterien entfernt.
Der im Essigbildner verbleibende und mit "hungrigen" Bakterien durchsetzte Rest dient dem Ansatz eines erneuten Gärungsprozesses. Erneut wird alkoholische Flüssigkeit und Sauerstoff zugeführt…
Viele Hersteller kaufen heute ihre Essigkulturen (sog. Imfpessig) fertig abgepackt im Kühlbeutel. Wir glauben, dass die Kultivierung eigener Essigstämme nicht ohne Auswirkung auf die Aromen und die Qualität unserer Essig-Erzeugnisse ist. Daher züchten wir unsere eigenen Acetobacter- und Gloconobacterstämme.
Bereits seit dem Jahr 1954 fertigen wir unsere Produkte im Essigbildner. Weltweit war unsere Produktionsstätte wohl eine der ersten, in der Branntweinessig im Acetator biologisch vergoren wurde. Die Anlage stammt vom Patentinhaber des inzwischen führenden Verfahrens, der Fa. Heinrich Frings GmbH & Co. KG aus Bonn, heute ein international tätiges Unternehmen im Essig- und Bioreaktorbau. Die Ingenieure der Fa. Frings residierten damals über Monate hinweg in Sommerhausen, um die Anlagen- und Produkttests in der Essigmanufaktur Gebhardt zu begleiten.
Milder Essig aus Mainfranken
Der Säuregehalt des biologisch gewonnenen Essigkonzentrats wird mit Wasser reduziert. Der Gesetzgeber schreibt bei Weinessig einen Mindestsäuregehalt von 6% und bei Branntweinessig einen Säurepegel von mind. 5% vor.
Bereits diese Minderung des Säuregehalts dient bei unserem Verfahren der Verfeinerung der Produkte: Die Keuper- und Muschelkalkschichten der mainfränkischen Region sorgen durch ihre Spurenelemente nicht nur für besonders schmackhaftes Obst und damit auch für vollmundige und erlesene Weine. Durch die örtlichen, hydrogeologischen Besonderheiten ist das Wasser besonders reich an Kalzium. Das Verschneiden des konzentrierten Ausstoß-Essigs mit dem mineralhaltigen Wasser nimmt unseren Essenzen die "spitze Schärfe" und verleiht unseren Essigen den typisch milden Charakter und einen sanften Geschmack.
Nach der Regulierung des Essigkonzentrats auf die gesetzlichen vorgeschriebenen Säurepegel erfolgt das Abfüllen – je nach Produkt - in Großgebinden (Kanister mit 5 ltr. o. 10 ltr.) und / oder in Flaschen.
Uns ist der Wein nicht Wurst
Die Aromen biologisch gewonnener Essige sind abhängig von den Ausgangsprodukten, also den zugrunde liegenden Weinen und Branntweinen. Diesen Rohstoffen verdanken sie auch ihre Bezeichnungen, wie "Branntweinessig", "Weinessig", "Apfelessig"… Dabei ist es ein weit verbreiteter Irrtum, dass zur Essigvergärung z.B. nur minderwertige Weine hergenommen werden, denn Fehler oder Mängel in der Herstellung würden im fertigen Essig nur verstärkt hervortreten. In der Qualität und in der Auswahl der regional erzeugten Grundweine und Branntweine liegt ein "Geheimnis" unserer Produkte. Einige Geschmackstoffe in Früchten oder Getreiden überdauern die Fermentationen, andere verwandeln sich dabei in neue Bukkets… Die Vielfalt der Essigprodukte ergibt sich aus der Verwendung erlesener alkoholischer Rohstoffe und aus fein ausgewählten aromatischen Zutaten.
Unser Sortiment umfasst
Beim sog. "Ansatzessig" sorgen nachträglich hinzugefügte Würz- und Duftstoffe z.B. aus Kräuterextrakten für reichhaltige und ausgewogene Geschmacksnuancen. Dabei hat Essig die Eigenschaft flüchtige Aromen zu konservieren, so zum Beispiel bei
- Gebhardt´s Kräuteressig (Branntweinessig mit Auszügen aus Dill und Estragon)
- Gebhardt´s Gurkenaufguss (Branntweinessig mit Süßstoff und Kräutern)
- Oma´s Salatraum (Branntweinessigbasis mit Salz, Süßstoff und Kräutern)

Aus erlesenen Frankenweinen und Branntweinen wird schmackhafter Essig...